Wie kann Achtsamkeit bei einem guten Körpergefühl helfen?

Interview mit Interview mit Mechthild Kreuser

Achtsamkeit. Selbstfürsorge. Empowerment.

Dafür steht Mechthild Kreuser. Sie hat bereits viel Erfahrung mit Selbstakzeptanz und achtsamen Umgang mit dem eigenen Körper gesammelt gerade als Mensch mit Behinderung und mit chronischen Schmerzen. Daher habe ich sie zu dem Thema Achtsamkeit interviewt.

Mechthild, was ist Achtsamkeit für Dich?

Achtsamkeit ist wahrnehmen, was gerade im Moment ist ohne eine Bewertung rein zu nehmen. Oft lenken wir uns einfach nur ab mit Sachen, um nicht zu merken wie es uns gerade geht.

Wie bist Du dahin gekommen?

Das ist ein langer Weg. Als ich vor ca. 15 Jahren angefangen habe zu studieren, habe ich auch Yoga für mich entdeckt. Ich war in einem Fitnessstudio – dem einzigen, das ich als behinderte Person besuchen konnte- und habe dort einen Yoga Kurs gefunden. Und ich habe angefangen zu meditieren, sowohl in Gruppen, aber auch für mich selbst. Über die Zeit habe ich gemerkt wie gut mir das Meditieren und der achtsame Umgang mit mir tut, um mit dem Stress an der Uni und später auch im Berufsleben umzugehen. Und auch bei den Sachen, die ich durch meine eigene persönliche Biografie erlebe: Einerseits die Selbstakzeptanz als junge Frau mit Behinderung, die wenig Vorbilder hat. Damals gab es noch nicht so viel Social Media, was zwar an sich auch gut war, aber andererseits auch die Sichtbarkeit von anderen behinderten Menschen nicht so groß war. Und andererseits beim Umgang mit körperlichen Schmerzen hilft Achtsamkeit. Dann kann ich immer in diese Schleifen gehen. Woher kommt es? Geht es irgendwann wieder weg? Und wenn es nicht weggeht, kann ich es auch erst mal wahrnehmen und gucken, wie fühlt sich das an und was passiert wenn ich nicht direkt in diese urteilenden Schleifen rein gehe.

Wie verändert es sich dadurch?

Dadurch hat sich bei mir viel verändert und es hat mir sehr geholfen. Mit der Zeit habe ich mich gefragt, ob ich andere damit auch unterstützen kann. Daher habe ich eine MBSR Ausbildung gemacht und Workshops in Kombination mit Yoga dazu gegeben.

Wie bietest Du Yoga an und welche Erfahrungen hast Du damit gemacht?

Damals an der Uni wurde Yoga angeboten. Yoga ist ja viel mehr als Sport. Nach dem ersten Kurs dachte ich, es ist nichts für mich, habe dann aber einen anderen Lehrer gefunden, der mich unterstützt hat und mich hat mitmachen lassen. Das klingt vielleicht blöd, aber ich selber als behinderte Person hatte auch das Vorurteil, dass ich kein Yoga machen kann. Ich weiß selbst, dass ich nicht den Normen entspreche, die es in der Gesellschaft gibt, weil es mir auch ständig vorgehalten wird als Spiegel. Deshalb hatte ich auch verinnerlicht, dass ich kein Yoga machen kann, was natürlich nicht stimmt. Und klar kann ich nicht alle Übungen, die man auf Instagram oder YouTube sieht, aber es gibt ja immer Möglichkeiten die Positionen für meinen Körper anzupassen und auch zu üben. Und auch zu erkennen, dass das nicht besser oder schlechter ist, wenn der Ausfallschritt im Krieger nicht so weit ist oder ich mich z.B. mit Blöcken unterstütze im herabschauenden Hund. Dadurch ist es nicht weniger wertvoll. Das ist immer noch Yoga. Und wie ich es anbiete: Ich gebe viel Online Yoga aber auch viel 1-zu-1 Yoga vor Ort, wenn sich das einrichten lässt.

Neben Deinen Kursen bietest Du auch Coachings an. Was sind deine Themenschwerpunkte?

Die eigene Akzeptanz der Lebenssituation, der Umgang mit körperlichen Schmerzen und Umgang mit Stress im Alltag, der bei einer behinderten Person auch noch mal anders sein kann als bei einer nicht-behinderten Person. Weil Menschen im Umgang mit Ärzten und Therapeuten sich oft erklären müssen und es nicht verstanden wird. Und es eine Selbstverständlichkeit ist, wenn ich der Coach bin, da es nicht erklärt werden muss, wie es ist, eine Behinderung oder chronischen Schmerzen zu haben. Und natürlich das Thema der eigenen Selbstfürsorge, sich bewusst Zeit für sich zu nehmen und wie das im eigenen Alltag untergebracht werden kann. Vor allen Dingen nicht nur als Nachgedanke sondern als Teil des eigenen Lebens.

Dabei gehst du traumasensibel und privilegieninformiert vor. Was bedeutet das genau? Also was ist traumasensibel?

Viele Personen oder wahrscheinliche jede Person, die in unserer heutigen Zeit lebt, kommt irgendwie, wenn auch vielleicht nicht bewusst oder auch nicht direkt, z.B. durch Medienkonsum, mit traumatischen Erlebnissen in Berührung. Oder sie hatten selbst traumatische Erlebnisse. Selbst wenn es nur „kleine“ Sachen sind, wie als behinderte Person nicht immer Teil haben zu können, macht es irgendwas mit einem als Menschen. Traumasensibel bedeutet, dass ich mir bewusst bin, dass jede Person, die in meine Beratung kommt, vielleicht in ein oder der anderen Art schon Mal mit traumatischen Erlebnissen in Berührung gekommen ist. Ich gebe dann Optionen, wie man damit umgehen kann. Natürlich bin ich keine Psychotherapeutin, ich habe Psychologie studiert. D.h. bei einer psychischen Erkrankung ist es wichtig mit einer Psychotherapie in Behandlung zu sein. Aber die Achtsamkeit kann eine gute Ergänzung sein. Es ist auch wissenschaftlich erforscht, dass Achtsamkeit bei psychischen Erkrankungen unterstützen kann. Aber das muss natürlich entsprechend abgeklärt sein mit Therapeuten. Eine Option ist beispielsweise, wenn ich die Verbindung zu meinem Körper nicht mehr fühle, dann kann ich entweder den Kontakt zum Boden erspüren oder eine Hand auf den Körper legen, wenn sich das richtig anfühlt. Oder auch die Augen geöffnet lassen, wenn man merkt, man kann mit geöffneten Augen nicht meditieren. Ich gebe immer Optionen und die Freiheit als anleitende Person.

Und was ist prvilegieninformiert?

Privilegien in meinem Fall sind z.B., dass ich eine weiße Person bin, die in Deutschland lebt und auch geboren ist mit einem deutschen Pass und ein Hochschulstudium abgeschlossen hat. Das sind alles Privilegien. Dafür habe ich dann andere Sachen, die andere Personen vielleicht nicht so haben, z.B. dass ich eine körperliche Behinderung habe und dass diese Behinderung auch sichtbar ist. Aber selbst auch in dem Bereich ist meine Behinderung vielleicht nicht ganz so stark wie bei anderen Menschen. Privilegieninformiert bedeutet, sich immer über die eigene Lebensrealität bewusst zu sein, und dass es andere Leute gibt, die andere Lebenserfahrungen haben das auch zu reflektieren.

Welche Leute kommen zu dir?

Zu mir kommen Leute, die vielleicht noch nicht so weit auf dem Weg sind und jetzt anfangen sich mit ihrer Lebenssituation zu beschäftigen und zum Beispiel die eigene Behinderung oder die chronische Erkrankung besser annehmen und akzeptieren möchten. Die einen neuen Input haben wollen und Austausch mit einer Person, der sie es nicht erst mal lang und breit erklären müssen, was es bedeutet mit einer Behinderung zu leben.

Ist dir noch etwas wichtig, zu deinem Coaching zu sagen?

Ich lerne immer neu hinzu, genauso wie Fehler zuzulassen, sowohl bei mir als auch bei anderen. Es gehört einfach dazu, auch mal etwas nicht richtig zu machen oder zu sagen. Und vor allem die Einladung, dass es nicht nur was für Behinderte oder Menschen mit chronischer Erkrankung ist, sondern dass jede Person davon profitieren kann, nicht so streng mit sich zu sein, achtsamer zu leben und von einer behinderten Person zu lernen und zu profitieren. So schaffen wir auch eine inklusive Welt, was auch ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist.


Wenn Du Mechthild kennen lernen möchtest, dann schau bei ihrem Profil vorbei.

Mechthild Kreuser ist Psychologin, ausgebildete MBSR und Yoga Trainerin und gibt in ihrem Podcast viele spannende Einblicke zur inklusiven Achtsamkeit: Inklusive Achtsamkeit.