Wie finde ich den Job, der zu mir passt und der mich erfüllt?

Ein Interview mit Julia Hautz

Herzlich Willkommen Julia, du hast ja ein Herzensthema, weil du auch selber davon betroffen warst: Du hilfst Menschen ihre Berufung zu finden.

Genau, punkto Herzensthema habe ich eigentlich sogar zwei. Und du hast das zeitlich gesehen ältere Herzensthema bereits genannt. Nämlich, dass ich Menschen, die unglücklich oder unzufrieden in ihrem Beruf sind, dabei helfe, ihre Berufung oder ihre Erfüllung im Berufsleben zu finden und wirklich zufrieden zu sein mit dem Berufsleben.

Genau davon war ich auch betroffen und steckte vor mehreren Jahren selbst in dieser Situation. Ich stellte fest, dass ich eigentlich in meinem Leben immer wieder in ähnlichen beruflich unzufriedenen Sackgassen feststeckte. Aber die Art und Weise, wie ich mich da herausholen wollte, hat bis zu dem Zeitpunkt nie zum Ziel geführt, weil mir nicht bewusst war, weshalb ich so unzufrieden bin. Und genau das ist der eigentliche Dreh- und Angelpunkt: Wenn du nicht weißt, was das Problem ist, dann ist es so ein bisschen erratisch, welches Ziel du anvisierst und ob das jetzt wirklich die Lösung bietet.

Mein zweites Herzensthema ist das Mulitple Sklerose-Coaching. Ich habe selbst Multiple Sklerose und habe die Diagnose 2017 bekommen, hatte allerdings schon Jahre vorher die ersten Symptome. Als ich begonnen hatte mit der Selbstständigkeit, habe ich noch gar kein MS-Coaching angeboten. Trotzdem haben mich auch speziell MS-Betroffene für ein berufliches Coaching ausgewählt, eben weil ich MS habe. Und nicht nur ausschließlich von Multiple Sklerose betroffene Menschen, sondern auch Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen.

Ich habe also eine ganz unterschiedliche Bandbreite an Klient:innen. Reine berufliche Neuorientierungscoachees, dann an MS-erkrankte Klient:innen, die ein rein berufliches Coaching bei mir machen und auch MS-Patient:innen, die sich im Coaching mit ihrer Erkrankung und ihrem Leben auseinander setzen.

Wie haben sich denn bei dir berufliche Sackgassen gezeigt? Wie hast du das gemerkt und wie hat sich das bei dir geäußert?

Ich glaube, das kennen sehr viele Menschen. Der Klassiker: Sonntagnachmittag fängt es schon an, dass du die ganze Zeit nur daran denkst „boah, morgen muss ich schon wieder zur Arbeit“. Oder dass man schon Tage bevor der Urlaub zu Ende geht anfängt, sich Gedanken darüber zu machen, dass man wieder zur Arbeit "muss". Vor allem diese Formulierung mit dem „müssen“, als wäre es ein Zwang.

Bei meiner letzten Arbeitsstelle hatte ich sogar in dem Gebäude, wo sich mein Büro befunden hat, teilweise schon das Gefühl von einem Gefängnis. Ich habe vor dem inneren Auge manchmal Gitterstäbe gesehen. Das hatte ganz viele Gründe. Einerseits durch die Umstände dort – auch die menschlichen Umstände – und der Tätigkeit an sich. Mein Unterbewusstsein wollte mir deutlich vermitteln, dass das so nicht weiter geht.

Oder – das kennen auch viele Menschen – du bist irgendwo unterwegs, lernst dort Leute kennen und irgendwann kommt zur Sprache, was man denn beruflich macht. Und dann willst du eigentlich gar nicht drüber sprechen, weil du es entweder einfach ätzend findest und gar nicht drüber nachdenken willst oder weil du dich sogar unwohl dabei fühlst, es zu erzählen. Das sind alles Indizien.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir das Privileg haben, uns aussuchen zu können, was wir machen wollen. Und genau da erlebe ich ganz oft bei meinem Gegenüber eine erste primäre Blockade: „Ne Moment, von wegen aussuchen, so einfach ist es ja nicht.“. Und es geht auch nicht um einfach. Es kann Überwindung, Zeit und ganz viel Mut kosten. Und dennoch ist es gleichzeitig möglich, dass wir in einem Arbeitskontext leben, in dem wir uns sehr wohl in einem bestimmten Rahmen aussuchen können, in welcher Form und mit wem wir arbeiten möchten. Man kann immer sagen „Ja Moment, das geht aber nicht, weil XY“ oder man kann sagen „Das geht noch nicht, weil XY und wegen XY mache ich jetzt Z oder A oder B“. Um diesen Mindshift geht’s.

Ein Beispiel: Ich möchte total gerne Hundefriseurin werden, ich bin jetzt aber meinetwegen Mathematikerin. Dann von „Dann geht das ja nicht. Dann muss ich ja weiter Mathematikerin bleiben – bin zwar total unglücklich, aber geht ja nicht anders.“ hin zu „Okay aktuell arbeite ich als Mathematikerin, ich habe keine Ausbildung oder Weiterbildung zu einer Hundefriseurin. Und ich habe auch eigentlich keine Ahnung, was es dazu alles dazu braucht, selbstständig zu sein, aber ich mache mir jetzt eine Liste, was ich denn theoretisch für Informationen brauche.“

Und von da aus kann ich Schritt für Schritt weiter gehen. Wenn ich weiß, welche Information ich brauche, dann zu schauen, von wem ich die bekommen kann. Gibt es vielleicht eine Person, die das schon erreicht hat, was ich gerne erreichen möchte? Kann ich die fragen? Oder kann ich irgendjemanden finden, der mir da weiterhelfen kann? Oder, oder, oder…Also ins Tun zu kommen und nicht zu stagnieren und sagen „naja, es geht halt nicht, dann bleibe ich die nächsten 50 Jahre unglücklich im Job“.

Das kann man auch machen, aber das sollte man dann aktiv entscheiden. Wenn es eine Entscheidung ist, dann ist das auch wieder eine Form von Selbstbestimmung. Das kann einen vielleicht auch etwas zufriedener machen. Genau darum geht’s. Bewusste Entscheidungen treffen, das eigene Leben in die Hand nehmen und nicht Opfer bleiben. Oder sich selbst zum Opfer machen.

Kommt es dann häufig zur Sprache, dass gerade, weil es so viele Möglichkeiten gibt, die Fähigkeit der Entscheidung und die Fähigkeit der Wahl umso schwieriger werden?

Ja, absolut. Es ist entweder dieses „Ich weiß nicht was ich machen soll. Ich weiß, ich will das, was ich jetzt mache, nicht mehr machen, aber ich weiß auch nicht, was ich machen kann.“ Daraus stellt sich ganz oft die Frage „Was kann ich denn überhaupt?“

Oder es ist dieses „Es gibt so viele Möglichkeiten und so viel, das mich interessiert. Ich weiß jetzt aber auch nicht, was ich machen soll, da bleibe ich lieber erst mal da wo ich bin.“ Und beides ist natürlich schwierig.

Um die gewünschten Antworten rauszuarbeiten, gibt es eben z. B. das Angebot von neutralen Personen und Sparringspartnern, die einem da helfen und einen unterstützen.

Es geht darum, die Fähigkeiten und Talente rauszuarbeiten. Dabei schauen wir uns den Lebenslauf mal rückwärts an. Und nicht nur im Beruflichen, sondern auch im Privaten, weil wir da auch ganz viele Talente finden, die wir oft gar nicht im Blick haben. Abgesehen davon fällt es vielen Menschen auch schwer, die eigenen Stärken zu sehen und zu benennen. Was nachvollziehbar ist, weil vieles, was unsere Stärken sind, uns superleicht von der Hand geht. Und gerade weil es uns so leicht von der Hand geht, denken wir oft, dass das keine Stärke oder wertvolle Fähigkeit ist, weil wertvolle Fähigkeiten doch anstrengend sein müssen. Auch schon wieder so ein Mindset-Ding.

Danach schauen wir, was du davon überhaupt beruflich machen möchtest. Nur weil man Dinge gut kann, heißt das ja nicht automatisch, dass man sie gerne und auch gerne beruflich macht. Und auch ein geliebtes Hobby möchte man möglicherweise nicht beruflich machen.

Was auch enorm wichtig ist: Sein Wertefundament zu kennen. Vor allem, wenn man gar nicht so richtig in Worte fassen kann, was einem jetzt gerade an seiner beruflichen Situation stört. Das habe ich schon so oft erlebt, dass es große Differenzen gibt zwischen dem eigenen Wertefundament, den eigenen Überzeugungen und den Werten, die auf der Arbeit gelebt oder verfolgt werden (müssen) oder im Fokus stehen, sodass das überhaupt nicht miteinander harmoniert. Je nachdem, worum es dabei geht, kann einen das auf Dauer sogar krank machen.

Hinzu kommen die Rahmenbedingungen. Ein eher trockenes Thema, aber es ist natürlich enorm wichtig, dass man sich Gedanken macht bezüglich seiner Arbeitsstelle: Wie lange möchte ich maximal fahren? Mit welchen Verkehrsmitteln möchte ich fahren? Mit wie vielen Leuten möchte ich zusammenarbeiten? Möchte ich lieber alleine arbeiten? Möchte ich zu Hause arbeiten? Wie viel möchte ich verdienen? Wie viel muss ich mindestens verdienen für bestimmte Fixkosten im Monat? Und so weiter.

All das herausgearbeitet und dann noch mal strukturiert ergibt am Ende ein Bild, das dir als Coachee Klarheit bringt.

Zum Abschluss. Gibt es noch mal irgendwas Spezielles über dich oder irgendein bestimmtes Thema, das du noch mal ansprechen möchtest?

Was mir irgendwann bewusst geworden ist: Dass die MS mich dazu gezwungen hat, eine ganz bewusste Haltung zu meinem Leben einzunehmen. Die Diagnose in recht jungen Jahren hat für mich noch mal alles verändert. Die MS hat mich wirklich dazu gezwungen, ganz bewusst zu gucken, was mir eigentlich wichtig ist. Und dazu zählt natürlich auch das Berufliche.

Dabei ist mir aber auch bewusst geworden, dass Arbeit Spaß machen darf und – jetzt wird’s verrückt – Arbeit kann sogar Spaß machen. Und dass man zufrieden sein kann mit dem, was man tut, sich wohl fühlt und sich vielleicht sogar darüber freut, wenn Montag die Arbeit wieder losgeht. Das soll jetzt auch gar nicht despektierlich klingen oder ins Lächerliche gezogen werden. Ich bin ja gerade eine Person gewesen, die gesagt hätte „Was für ein Quatsch. Auf Montag freuen, kompletter Blödsinn.“ Deswegen rede ich jetzt so, denn ich lächle da über mich selbst.

Auch wenn es Zeiten gibt oder Phasen gibt, in denen es echt schlimm ist und es einem auch echt nicht gut geht. Aus den Erfahrungen und aus all dem, was ich in den letzten Jahrzehnten erlebt habe, kann ich sagen: Es geht immer weiter. Es geht vielleicht auch nicht immer direkt so weiter, wie du es dir wünschst, aber es geht weiter. Und auch wenn es sich manchmal nicht so anfühlt, du hast immer noch das Steuer deines Lebens selbst in der Hand. Wenn du dich entscheidest zu pausieren, dann mach auch das. Wenn das Steuer mal ruckelt, weil du in einem Sturm geraten bist, auch dann ist es trotzdem noch deines und du kannst es wieder fester packen und lenken. Vielleicht holst du dir dann auch jemanden mit dazu, der mit dir anpackt. Und es geht weiter. Verliere nicht den Mut, egal um welches Thema es geht. Pause machen okay, aber behalte die Zuversicht.

Das ist ein schönes Schlusswort. Da danke ich dir vielmals für deine Antworten und für deine Einblicke in dein Leben.

Julia Hautz ist promovierte Neurobiologin, psychologische Beraterin und systemischer Coach.

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